Wie es begann…
Flevoland ist nicht aus dem Nichts heraus entstanden. Wo heute Flevoland liegt, strömte einst vor allem Wasser. Hier und dort gab es ein Inselchen in der Zuiderzee. Wie zum Beispiel Wieringen. Marken. Schokland. Urk. Trockenes Land zwischen all dem Wasser. Auf den Inseln und dem Festland wusste man: Die See gibt und die See nimmt. Der Schaden begrenzte sich dabei nicht auf die seefahrenden Schiffe. Auch an Land kam es zu schweren Schäden.
EINE REVOLUTIONÄRE IDEE
Jahrhundertelang hatte das Wasser unser Leben beherrscht. Doch im 17. Jahrhundert drehten wir den Spieß um. Wasserbauexperten begannen mit Begehrlichkeit auf die damalige Zuiderzee zu schauen. Hendric Stevin, Ingenieur des Wasserbaus, kam mit der Idee, die Zuiderzee zu zähmen. Er wollte einen Deich legen von der Spitze Nord-Hollands entlang der Watteninseln bis hin zu den Seedeichen von Groningen. Eine revolutionäre Idee…doch lagen erst im 19. Jahrhundert die Pläne parat, die auch technisch und finanziell realisierbar waren. Hierbei spielte vor allem der Zuiderzee Verband eine maßgebliche Rolle. Dieser Verband gab Auftrag, die früheren Schätzungen der Ingenieure Van der Toorn und Lely hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit zu untersuchen und publizierte die Resultate dieser Untersuchung.
DIE WASSERKATASTROPHE UND DAS ZUIDERZEEGESETZ
Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Pläne wuchs enorm, nachdem die Wasserkatastrophe im Jahr 1916 großes Elend angerichtet hatte. Hierauf spielte der Zuiderzee Verband geschickt ein… mit Erfolg. Am 14. Juni 1918 war das Zuiderzeegesetz (Gesetz zur Abschliessung und Trockenlegung der Zuiderzee) beschlossen...
Das größte Einpolderungsprojekt aller Zeiten
1924 wurde das Zuiderzeeprojekt begonnen, mit der Schließung des 2,5 km langen Amsteldiep-Deiches, der das Festland bei Nord-Holland mit der Insel Wieringen verband. Als nächstes wurde der Abschlussdeich geschlossen: Der Deich, der Wieringen mit dem Festland bei Friesland verband. Dies schien ein unmögliches Unterfangen: Es galt, mitten auf dem Meer einen Deich an zu legen. Doch 1932 war dies geschafft und so entstand das IJsselmeer.
DER ERSTE IJSSELMEERPOLDER
An der Stelle, wo einst der Deich geschlossen wurde, steht heute ein Denkmal mit der Aufschrift: "Ein Volk das lebt, baut an seiner Zukunft". Stück für Stück wurde das Gebiet trocken gelegt. Der Nordostpolder sollte der erste echte IJsselmeerpolder werden. Am 3. Oktober 1939 reichten die Bürgermeister Keijzer von Urk und Krijger von Lemsterland einander die Hand, auf dem Deichstück, das wenige Minuten zuvor geschlossen worden war. Urk war nun keine Insel mehr. Es war ein emotionaler Moment für die lokale Bevölkerung.
DIE SCHAFFUNG VON OST- UND SÜDFLEVOLAND
Nach dem Nordostpolder begonnen die Arbeiter, den östlichen Teil Flevolands zu schaffen. Dieser Polder sollte etwas von der Bevölkerung der viel zu vollen Randstadt aufnehmen. Und das war dringend nötig: Die Verstädterung von Nord- und Südholland nahm dermaßen überhand, dass Neuland gebraucht wurde, um Wohnungen und Freizeiteinrichtungen bauen zu können. Nach dem schnell angelegten östlichen Polder (1957) folgte bald auch der Südpolder (1968). Am 1. Januar 1986 wurde Flevoland offiziell die jüngste und 12. Provinz der Niederlande.
DIE POLDERGESCHICHTE IM NIEUW LAND MUSEUM
In Nieuw Land Museum in Lelystad berichtet eine große Zahl an Objekten, Karten, Filmmaterial, Werkzeugen und Instrumenten über das größte Einpolderungsprojekt aller Zeiten.
Inseln auf dem Trockenen
Die Einpolderung des Nordostpolders hat zwei historische Zuiderzeedörfer zu Inseln auf auf dem Trockenen gemacht: Schokland und Urk.
UNESCO WELTERBE SCHOKLAND
Schokland steht heute symbolisch für den Kampf der Niederlande gegen das Wasser. Bereits in prähistorischen Zeiten wurden die ersten Bewohner Schoklands vom Wasser vertrieben. Jahrhunderte später, im Mittelalter, kämpften erst Bauern und später Fischer von ihren Behausungen aus gegen die Sturmfluten und Überflutungen. Jedoch waren auch sie erfolglos. Im 19. Jahrhundert wurde die gesamte Insel durch Wilhelm den III. geräumt.
INSELN AUF DEM TROCKENEN
Heute ist Schokland eine Insel auf dem Trockenen, die sich stolz über der Polderlandschaft erhebt. Es hat gute Gründe, weshalb dieser Ort als erstes Denkmal der Niederlande mit auf die Liste des UNESCO Welterbes aufgenommen wurde . Die Insel zählt neun Reichsdenkmäler. Es gibt also genug zu erkunden. Das pittoreske Hügeldörfchen Middelbuurt mit seiner markanten Enserkirche aus dem Jahr 1834 zum Beispiel und den alten Friedhof von Schokland. Oder den kleinen Hafen des anderen Dörfchens, Oud Emmeloord, wo man dicht bei der Wohnung des Leuchtturmwächters auch den Leuchtturm rekonstruiert hat. Ein Besuch bei Schokland und im Schokland Museum vermitteln ein Bild der besonderen Vergangenheit dieser Insel auf dem Festland.
DAS FISCHERDORF URK
Urk lag früher als eine Insel inmitten der Zuiderzee - und es besteht seit mehr als tausend Jahren. Am 3. Oktober 1939 war das Fischerdorf Urk keine Insel mehr. An diesem Tag wurde der Deich Richtung Lemmer geschlossen. Ein besonderer Moment für die Urker Bevölkerung, die ihre eigene Kultur hat und einen eigenen Dialekt spricht. Während eines Besuchs auf Urk wird Ihnen dies sicher nicht entgehen.
KULTUR UND DIALEKT
Der pittoreske alte Kern des Dorfes liegt auf einem Hügel aus Kiesellehm. Er liegt damit höher als der jüngere Teil von Urk. Dieser Teil des Dorfes war die einstige Insel. Auch heute noch ist deutlich zu erkennen, dass jeder gerne auf dem erhöhten Teil des Dorfes wohnen wollte. Jeder freie Platz wurde hier bebaut, weswegen sich kleine und schmale Häuschen hier finden in einem wahren Labyrinth aus kleinen Gässchen bzw. 'Ginkies', wie die Urker sie selbst in ihrem Dialekt nennen. Nehmen Sie einmal teil an einer Ginkiestour, bei der eine Wanderung durch diese Gässchen gemacht wird. Unterwegs erzählt der Begleiter bzw. die Begleiterin Geschichten aus alten Zeiten und Legenden von Urk. Steigen Sie auch auf den Leuchtturm. Er bietet eine prachtvolle Aussicht über das Wasser und das Dorf. Bei klarem Wetter sieht man selbst drei Provinzen: Flevoland, Nord-Holland und Friesland. Es ist die Mühe wert, um die Geschichte und Kultur von Urk auch im Museum 't Oude Raadhuis (Das Alte Rathaus) zu besichtigen.
Bodenschätze
Bei der Trockenlegung Flevolands kamen Hunderte Schiffswracks zutage. Das heutige Flevoland war einst die Zuiderzee - und sehr verkehrsreich. Tausende Schiffe waren täglich auf der Zuiderzee unterwegs und es kam oft zu Schiffsunglücken.
EINER DER GRÖßTEN “TROCKENEN” SCHIFFSFRIEDHÖFE
Bereits bei den ersten Arbeiten der Einpolderung wurden dann auch Schiffswracks gefunden, manchmal zehn oder mehr Exemplare pro Jahr. Der Polder war voll davon! Flevoland ist damit einer der größten “trockenen” Schiffsfriedhöfe der Welt. Es wurde die beachtliche Zahl von 435 Schiffswracks gefunden, versehen mit beinahe 33.000 Gegenständen, die zwischen 1200 und 1900 datiert wurden.
DAS SCHIFFSARCHÄOLOGISCHE DEPOT
Innerhalb der Niederlande gibt es ein Institut, dass sich ausschließlich der Schiffsarchäologie widmet (RACM Lelystad). Dieses Institut steht nicht zufällig in Flevoland. Die Arbeit von spezialisierten Schiffsarchäologen kann dort besichtigt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit können im Innern des Nationalen schiffsarchäologischen Depots besichtigt werden und auch auf dessen Außengelände. Dort befinden sich zwei gut erhaltene Schiffswracks: Ein 'Verbindungsschiff' aus dem 17. Jahrhundert und die ‘Seehund (Zeehond)’, eine Groninger Tjalk, die 1886 gesunken war.
ALTE ZEITEN LEBEN WIEDER AUF
Eines der schönsten Meisterwerke der Konservierung kann im Neuland Erbgutzentrum (Nieuw Land Erfgoedcentrum) besichtigt werden. Dort hat das große Schiffswrack eines einstigen Ventjagers einen Platz bekommen, im Rahmen einer Ausstellung zur Schiffsarchäologie. Dieses Transportschiff für Fisch sank rund 1710 und wurde 1961 beim Dorf Swifterbant entdeckt. Bei Nieuw Land gibt es auch die Karte ‘Gesunkene Schiffe auf dem neuen Land’ zu kaufen. Auf dieser sind 400 Fundstellen von Schiffswracks verzeichnet. Auch eine Karte mit hierauf abgestimmten Radfahrrouten gehört dazu. Neuland, das RACM und die nahe gelegene Bataviawerft lassen das ‘Seefahrerleben’ vergangener Zeiten wiederaufleben.
Zurück in die Vorgeschichte
Lange bevor die Zuiderzee entstand, wohnten in diesem Gebiet bereits Menschen. Vor ungefähr sechstausend Jahren war Flevoland ein ausgedehntes Moorgebiet an der Küste. An den Uferböschungen entlang der zahlreichen Flüsse bauten die Menschen ihre Behausungen.
DIE KULTUR VON SWIFTERBANT
In der Umgebung von Swifterbant wurden Ende der sechziger Jahre die Überreste einer solchen Niederlassung gefunden. Sogar ein gut erhaltenes Skelett war dabei. Deshalb werden die früheren Bewohner dieses Gebiets mit dem Begriff 'Die Swifterbantkultur' umschrieben. Im Naturpark Lelystad können Sie besichtigen, wie ein solch altes Dorf ungefähr ausgesehen hat. Dort finden Sie nämlich eine prähistorische Siedlung, ein kleines Dorf mit dem Namen Swifterkamp. Hier kann man erfahren, wie es wäre, in der Neusteinzeit zu leben. Wollen Sie wirklich erfahren, wie prähistorische Menschen lebten, dann können Sie sogar vorübergehend in dieser Siedlung wohnen, inklusive Übernachtung auf einer Strohmatratze. Vor allem im Frühjahr und im Sommer wird dieses kleine Dorf regelmäßig bewohnt. Die temporären Bewohner und Bewohnerinnen backen Brote, fertigen Schmuck und Werkzeuge an, sammeln Holz, weben und kochen am offenen Feuer.
PRÄHISTORISCHE FUSSABDRÜCKE
Die zahlreichen archäologischen Funde deuten darauf hin, dass Schokland bereits in prähistorischen Zeiten bewohnt war. Es wurden sogar Fussabdrücke prähistorischer Menschen gefunden. Im Gesteinsgarten von Schokland tauchen Sie buchstäblich in diese Vorgeschichte ein. Dort sind die Steine, die die Gletscher der vorletzten Eiszeit zurück ließen, wieder sichtbar. Die spezielle Wanderroute durch den Garten führt Sie entlang dieser uralten Steine die, könnten sie sprechen, unvorstellbare Geschichten erzählen würden. Kinder können hier nach Schätzen graben und Entdeckungstouren machen.